Gedichtsammlung 2012

Gedicht im Monat Januar 2012

schneeflecken wie
verwehte wäschestücke auf
dem winterbraunen fell der insel-
heide reste aus dem
sommer als die gäste
weiße kleider trugen
                stehen
birken auf-
gebrochen dicker schorf der
borkenhaut sie
stehen still
in breiten braunen pfützen
zwischen eishautresten
zittert leis
ihr spiegel

© Ingritt Sachse 

 


Gedicht im Monat Februar 2012

im februar die
meisen blühen schon die
vielen finken und
dieser augenblick mit
einem kleinen sperling. allerwelts-
spatz!
          es ist
der eine
auf dem zweig vor
meinem fenster
wage zu atmen nicht sonst
fliegt er
und das glück
mit ihm
davon

© Ingritt Sachse 

 


Gedicht im Monat März 2012

blüten blätter
blütenfalter breiten
ihre rosa weißen gelben
flügel schaukeln rufen rennen
kinder lachen nebenan die große
decke auf der wiese lachen legen arme
sich um schultern nacken weiche stellen blühen
zueinander hin die bänke sind zum küssen aufgestellt und
streicht mit seinen hellen händen der alte mann den braunen boden die
geliebte ihre braunen locken auf junger grashaut grüne stoppeln gelbe pickel akne
frühlingsakne blüht verblühen schon narzissen der holunder frisch
geschlüpfte blätter mit gekröse grün und grau     werden
blüten weiße deckchen

© Ingritt Sachse 

 


Gedicht im Monat April 2012

es treibt zum tanz sie
rennen und flanieren ein
rechter und
ein linker
spitzer schuh führen
stolz und voller glück jeder
einen fuß mit sich spazieren diese
liegen kummervoll
in ihren betten weil
mal der eine
mal der andere schuh
sie drückt


© Ingritt Sachse 

 


Gedicht im Monat Mai 2012

mai 1952
deiche wiesen schäumen flieder
büsche die kastanien blühen schon ist
mai in bauerngärten
mutter trägt zum violetten strauß den
sommerpulli ungewohnt der
schmale rot geschminkte
mund an sonn-
und feiertagen gibt es echten bohnen-
kaffee gute butter das kostüm ist neu
für viele jahre


© Ingritt Sachse 


Gedichte im Monat Juni 2012

die nacht möcht mal sich selbst
zum tage machen. nicht immer
früh ins bett und
früh erwachen
schläft sie nicht ein
nicht durch, heißt es:
wir müssen ihr den schlaf-
trunk reichen
      trinken!
trunken! ja, das wäre fein –
die nacht trinkt wein am
hellen tag und schläft sich
in den nächsten lang
hinein sie schläft
sich aus und kommt so
bis zum dritten tag nicht
aus dem bett heraus


© Ingritt Sachse 

 


Gedichte im Monat Juli 2012

bin
schwindelfrei
im schwindeln
frei es schwindelt
mich beschwindelt
dich dein kleines leben
spring aufs dach
aufs hohe schindel schwindeldach hier
schwindelt freiheit über allem
kein baugerüst muss dich mehr tragen
du kannst den sprung ins freie wagen heb ab und flieg
nach überall voll schwindellust im freien fall verschwindest
du aus engem raum in einen
schwindelfernen traum


© Ingritt Sachse 

 


Gedichte im Monat August 2012

salat
mit puten oder
hähnchen brust geflügel
kopf ab rät der wirt zu
leichter sommerkost und auf
die leichte schulter auf
dem rücken unserer
tiere liegen
zweihundertfünfzig plätze arbeit
hähnchen mast und pute knast
dreihundert
      sechzig
          tausend jeden tag das
federvieh so fleißig
fallen seine köpfe
köpfen
      köpfchen!
pute courage und gockel mut
ziehn ab ziehn
in den bundestag
fraktion geflügel


© Ingritt Sachse 

 


Gedichte im Monat September 2012

bremen - bonn
gelassen rollt es
fährt sich so
da:hin auf lilaweichen sitzen und
bequem wie an:
genehm bis
      störung im betrieb
zwischen:
stopp in
barmen ja er:
barmen die
gäste dürfen rauchen
zug um zug
auf/neben gleisen stehen
ziehen sie
da:hin


© Ingritt Sachse 


Gedichte im Monat Oktober 2012

(allerleirauh)
jagd
appetenz
großwild groß
stadt jäger
kammer herzen fuchs wolf
grizzly leopard der junge
und der alte könig:
schwarze trüffel weiche
schnecken dunkel
samt der wein
wehrhafter
pelz die
zähne blitzen
tausend tiere bellen brüllen
fauchen
allerleirauhs schöne kleider blenden
rosen:flammen schlagen spitz und
scharf die zähne

© Ingritt Sachse 

 


Gedichte im Monat November 2012

ich bin
ein günstling der
natur
vor allem wenn ich
auf die elbe beispiel blankenese
seh
          die ruhe hier und
kein profaner lärm
kein krach kein dreck kein
brechen bohren donnern dröhnen schlagen
           von alldem nichts
ich ruh
          in allem
als günstling eben
          ich muss der gunst wohl
sehr gefallen. da
schrillt ein ton die
ohren zu und hebt das schädel:
dach mein wecker
weckt und aus der
traum von gunst von günsten
          günstiger begünstigt die
radiostimme schreckt: zu viele
menschen zu viel
müll zu wenig rohstoff zu
wenig öl zu viele arme
zu wenig lohn zu wenig
heu zu viele schrecken in
zu vielen hecken. . .
du musst zur früh:
schicht! (Ab!) ich komm
ja schon!

© Ingritt Sachse 

 


Gedichte im Monat Dezember 2012

winterklaben das
gerüst: mehl butter schmalz und
schmand rosinen zucker hefe etwas
salz und rum und bleiche milch
wie brot geformt geritzt
gebacken
hält das gerüst
für einen langen winter

© Ingritt Sachse